Ein Nachruf von Franz-Jürgen Harms und Wolfgang Irrlitz
Klaus Dieter Jürgens bei einer NGH-Exkursion am 10. September 2021 nach Wennigsen.
Nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb Prof. Dr. Klaus Dieter Jürgens, Stellvertretender Vorsitzender der Naturhistorischen Gesellschaft Hannover (NGH) am 22. Januar 2025. Nur zwei Monate zuvor hielt er noch in dem bis auf den letzten Platz besetzten Vortragsraum des Niedersächsischen Landesmuseums den NGH-Abendvortrag „Der geniale Speicher im Kopf – unser Gedächtnis“. Da ein Teil der an dem Vortrag interessierten Besucherinnen und Besucher wegen Überfüllung keinen Einlass mehr erhielten, wollte Klaus Dieter Jürgens seinen Vortrag demnächst nochmals wiederholen. Nun aber schweigt seine Stimme für immer!
Klaus Dieter Jürgens wurde am 19. August 1947 in Varel (Kreis Friesland) geboren, wo er seine Kindheit verbrachte. Den Besuch des Graf-Anton-Gymnasiums in Oldenburg schloss er 1966 mit dem Abitur ab.
Von 1966 bis 1972 studierte er an der Technischen Universität (TU) Braunschweig Elektrotechnik mit der Fachrichtung Elektronik-Elektrophysik. Nach dem erfolgreichen Diplom war er zunächst für einige Monate Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hochfrequenztechnik der TU Braunschweig, danach Angestellter in der Abteilung für Biomedizinische Technik an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Von 1973 bis 1975 absolvierte Klaus Dieter Jürgens das Aufbaustudium Biomedizinische Technik an der MHH. Nach diesem Studium wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter der MHH. 1981 promovierte er schließlich zum Dr.-Ing. an der TU Braunschweig.
1984 heiratete er seine langjährige Freundin Gabriele. Danach verbrachte er mehrere Monate für Forschungsarbeiten an der Universität von Washington in Seattle/USA.
Zur ihrer großen Freude wurden 1985 Tochter Julia und 1987 Sohn Jonathan geboren.
An der MHH wurde er 1988 habilitiert zum Dr. rer. hum. biol. habil. und im gleichen Jahr erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor für Physiologie. Einen Schwerpunkt seiner Arbeiten stellten die besonderen Stoffwechsel-Anforderungen der Etruskischen Zwergspitzmaus dar. Die Untersuchungen an dem kleinsten lebenden Säugetier der Erde wurden zusammen mit Kollegen in Banyuls-sur Mer (Südfrankreich) durchgeführt. Für die Förderung der Zusammenarbeit wurde Klaus Dieter Jürgens mit der Großen Medaille der Stadt Banyuls-sur Mer geehrt. Für die Ergebnisse von Untersuchungen der Funktion des roten Muskelfarbstoffs Myoglobin erhielt Klaus Dieter Jürgens zusammen mit seinem Kollegen Dr. Thomas Peters den Sir-Hans-Krebs-Preis für herausragende Arbeiten in der medizinischen Grundlagenforschung. Der MHH blieb er bis zur seiner Pensionierung 2012 treu, zuletzt als Akademischer Direktor in der Abteilung Vegetative Physiologie. Zahlreiche Publikationen sowie mehrere Lehrbücher sind Belege für seine herausragende wissenschaftliche Arbeit. Den Zuhörerinnen und Zuhörern seiner Vorlesungen wird er als begnadeter Hochschullehrer und Redner in Erinnerung bleiben.
Eine Herzensangelegenheit war für Klaus Dieter Jürgens das Thema Gerechtigkeit. Dies war wohl auch einer der Gründe, weshalb er sich über viele Jahre hinweg als Vertreter der Wissenschaftlichen Mitarbeiter und Professoren in verschiedenen Gremien der Selbstverwaltung der MHH engagierte. Dabei setzte er sich insbesondere für die akademischen Rechte der nachgeordnet tätigen Hochschullehrerinnen und -lehrer ein.
In seiner Freizeit beschäftigte er sich leidenschaftlich mit der heimischen Flora und Fauna, insbesondere mit der großen Bedeutung von Insekten und Spinnen. Er war Gründungsmitglied des Insektenbündnisses Hannover.
Auch nach Beendigung seines Berufslebens hielt er bis wenige Wochen vor seinem Tod die Vorlesung „Funktionen des menschlichen Körpers – Physiologie“ an der Leibniz Universität Hannover, die zunächst in der Fakultät Maschinenbau und später im Gast- und Seniorenstudium angeboten wurde.
2011 wurde Klaus Dieter Jürgens Mitglied der Naturhistorischen Gesellschaft Hannover. Er übernahm 2017 das Amt des Stellvertretenden Vorsitzenden, das er bis zu seinem Tod ausführte. Er engagierte sich bei vielen NGH-Aktionen, wie z.B. im Schulbiologiezentrum Hannover, bei der Langen Nacht der Museen oder am Deister-Tag. Sowohl für die Präsentation des 2012 im Deister entdeckten Schweden-Findlings als auch für die Herausgabe des Hefts „Hannover wagt Wildnis“ (2023) warb er im erheblichen Umfang Drittmittel ein. Er stellte Kontakte zu Referenten für die NGH-Abendvorträge her. 2022 organisierte Herr Jürgens mit großem Einsatz die Jubiläumsfeier zum 225-jährigen Bestehen der NGH. Wichtig war ihm, besonders die Jugend für die Naturwissenschaften zu begeistern. So machte es ihm große Freude, die Laudationes für die Preisträger am 17. Oktober 2024 bei der Verleihung des Jugendpreises der NGH zu halten. Seine eigenen Vorträge werden den Zuhörerinnen und Zuhörern unvergesslich bleiben. Klaus Dieter Jürgens war ein begnadeter Redner, der auch komplizierte Zusammenhänge für Laien verständlich darstellen und erklären konnte.
Klaus Dieter Jürgens hat uns auch einen Auftrag hinterlassen. Er ruft die Mitglieder der NGH auf, sich weiter für mehr Naturschutz, Weiterbildung und Verbreitung von Wissen zu engagieren, um durch das Verständnis der Naturwissenschaften die Zusammenhänge besser zu begreifen und danach zu handeln.
Die NGH verdankt Klaus Dieter Jürgens viel. Er wird uns fehlen!